Wie suchst du normalerweise Bücher aus?
Sammelst du Empfehlungen, liest Besprechungen und stöberst durch Bewertungen? Stehst du im Buchladen, liest Klappentexte und eine erste Seite nach der anderen?
Und wie machst du das bei englischen Büchern?
Genauso? Super.
Oder .... ?
Mir passiert es öfter, dass Kundinnen sich "ein neues Buch für mein Englisch" kaufen wollten und dann "Graded Readers" oder "Short Stories for English Learners" aus dem Buchladen mitbringen.
Das wäre nicht schlimm, wenn sie einen "Graded Reader" oder Kurzgeschichten für Lernende bräuchten. Aber oft hat ihre Wahl wenig oder gar nichts mit ihrem Englisch-Niveau zu tun, sondern mit dieser Frage:
"Entschuldigung, wo finde ich Bücher zum Englischlernen?"
Die netten Leute im Buchladen wandern dann in die Abteilung mit den Kursbüchern und zeigen ihre Sammlung an Büchern zum Lernen. Denn danach wurde ja gefragt.
Aber: "Bücher zum Englischlernen" sind nicht das gleiche wie "englischsprachige Bücher". Und fortgeschrittene Lernende wünschen sich meistens "englischsprachige Bücher". Sie wollen sich trauen, "normale" Bücher zu lesen, nur eben auf Englisch.
Den Unterschied zwischen Büchern zum Lernen und englischen Büchern erkläre ich übrigens hier etwas genauer: "Wie findest du ein Buch zum Englischlernen? 4 Arten von Büchern, mit denen du dein Englisch verbesserst."
Jetzt kommt quasi die nächste Frage: Was machst du, wenn du dir nicht sicher bist, ob ein Buch "zu schwer" für dich ist?
Erster Schritt: Wähle englische Bücher genauso wie deutsche Bücher.
Im Buchladen solltest du nicht fragen: "Entschuldigung, ich suche Bücher zum Englischlernen."
Sondern das: "Entschuldigung, ich suche sowas wie die Stieg Larsson Trilogie - haben sie englische Bücher, die so ähnlich sein könnten?"
Betrachte englische Bücher also genauso wie deutsche:
Welches Genre lese ich normalerweise gerne?
Gefällt mir das Cover?
Spricht mich der Klappentext an?
Stöbern ist Lesen.
Wenn du stöberst, lernst du schnell, auf den "Gist" zu achten - also darauf, was da im Wesentlichen steht. Verstehst du, worum es in diesem Buch geht? Macht der Klappentext Sinn? Verstehst du den ersten Absatz?
Auch, wenn du das Buch nicht so ansprechend findest, bekommst du beim Stöbern einen prima Eindruck davon, wie unterschiedliche Menschen schreiben.
"Ich liebe Krimis" - warum es gut ist, ein Lieblingsgenre zu haben.
Welche Bücher würdest du auf Deutsch am Strand, in der Wanne oder vor dem Einschlafen lesen? Gibt es Serien, die du schon angefangen hast? Liebst du Krimis, romantische Komödien, Thriller, Familiensagas?
Als ich nach England gezogen bin, war ich so auf B2-C1-Niveau. Und total frustriert, weil ich Texte für die Uni lesen konnte, aber nicht das Hello-Magazine. Nicht, weil das Hello-Magazine schwierig ist, sondern weil mir in der Schule niemand Wörter wie "snogging" (=knutschen) beigebracht hat.
Also habe ich Katie Fforde gelesen. Da gibt es nur wenige Überraschungen. Die Figuren sind ähnlich gestrickt, nur ihre Berufe ändern sich. Es geht immer um Frauen, die Liebeskummer haben, ihren Job verlieren, oder eine Reise machen. Sie finden neue Freunde, verlieben sich, lernen einen neuen Beruf, finden ein neues Zuhause.
Wiederholung ist prima für unsere Lesestrategien. Ich kannte Katie Ffordes Stil irgendwann so gut, dass die Bücher wirklich einfach wurden.
Nutze dein Wissen:
Je besser du ein Genre, einen Schreibstil, die Figuren und ihre Welt kennst, desto einfacher wird es. Krimifans haben einen anderen Wortschatz als Menschen, die in Fantasy oder romantischen Komödien glücklich werden. Wer ein Jahr lang nur Sherlock Holmes liest, spricht danach anders als jemand, der sich in der Outlander-Serie festgebissen hat.
Je einfacher gestrickt, desto leichter zu verstehen
Aus welchen Elementen besteht ein Krimi? Wie ist eine romantische Komödie aufgebaut? Gerade am Anfang sind vorhersehbare Handlungen hilfreich. Es gibt nur wenige Überraschungen und du kannst dir teilweise aus dem Kontext heraus zusammenreimen, was passiert.
Zweiter Schritt: Probelesen. Wie viel Verständnis ist "genug"?
Es ist normal, nicht alles zu verstehen. Selbst wenn du ein Buch auf Deutsch liest, wirst du ab und zu unaufmerksam sein und hier und da Details nicht mitbekommen - obwohl du theoretisch alle Wörter "verstehst".
Fang einfach an. Du merkst recht schnell, ob du der Handlung in etwa folgen kannst.
Wenn du gefühlt etwa 70-80 % verstehst, wirst du das Buch vermutlich ohne größere Schwierigkeiten lesen können.
Wenn du weniger verstehst, lass dich nicht vom "ojeoje"-Gefühl einschüchtern.
Du kannst entscheiden:
Findest du es nervig, Wörter nachzuschlagen? Wenn du auf der ersten Seite etwa 5 Wörter nachschlagen könntest - wäre das genug?
Tipp: Wenn du eigentlich ganz gerne Wörter nachschlägst, kann es sein, dass du mit einem E-Reader gut klar kommst. Dann kannst du nämlich nebenbei die Wörterbuch-Funktion nutzen und kommst so nach und nach in einen Lesefluss.
Warum ist das Buch schwer zu verstehen?
Wenn du nach den ersten Seiten denkst: Woah, das schaffe ich nie, kann das unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht sind es die Vokabeln, vielleicht aber auch der kulturelle Kontext. Oder du kennst das Thema noch nicht gut.
Natürlich sind mir die Katie Fforde Romane relativ leicht gefallen: Sie spielen in Großbritannien - dort habe ich zu der Zeit gelebt. Sie handeln von jungen Frauen - in dem Alter war ich damals auch. Sie handeln von alltäglichen Themen. Die Bücher sind in relativ modernem, relativ unkomplizierten Englisch geschrieben.
Schau dir den Text also nochmal an:
Wo spielt die Handlung?
Wer sind die Figuren?
Sind die Sätze sehr lang?
Hast du das Gefühl, dass du gar nicht so richtig weißt, wo in einem Satz die Verben und Nomen sind?
Siehst du schon, dass hier Dialekt oder Slang verwendet wird?
Sprache und Handlung, die sich so anfühlt als könnte jemand sie dir auch einfach so erzählen, eignet sich oft besser als komplexe Handlungsstränge und besonders blumige Sprache. Manchmal ist die Sprache auch einfach nicht modern - entweder, weil das Buch älter ist, oder weil die Geschichte in einer anderen Zeit spielt.
Dritter Schritt: Was, wenn du gar nicht reinkommst?
Und wenn du gar nicht reinkommst?
Wenn du merkst, dass ein Buch nicht passt, lass es ruhig für später liegen. Schau einfach weiter, ohne die Nerven zu verlieren.
Oder nimm dir erstmal kürzere Texte vor - Kurzgeschichten oder eine Zeitschrift zu einem deiner Hobbys. Kochbücher, DIY-Anleitungen. Bei mir stand das Good Food Magazine lange auf der Liste. Die Vokabeln wiederholen sich ständig, irgendwann kannte ich mich halbwegs aus und irgendwann wurde es langweilig. Perfekt. Und trotzdem habe ich "authentisches" Englisch gelesen.
Dann kamen Katie Fforde und Diana Gabaldon. Und Patricia Briggs. Du siehst, ich bin kein Krimi-Fan. Bei mir liegen immer noch romantische Komödien und Fantasy auf dem Nachttisch.
Wenn du ein Buch gefunden hast, das dir Spaß macht, dich ein bisschen einfängt, sich "machbar" anfühlt und mit dem du dich wie du selbst fühlst: Lesen. Und danach gleich noch eins.
Ganz wichtig: Nicht verzweifeln.
Ich empfehle dir nicht, ein Buch nach dem anderen zu kaufen und zu hoffen, dass du irgendwann "gut genug" bist. Die stehen dann in deinem Regal und sorgen dafür, dass du dich schuldig fühlst.
Ich empfehle dir aber auch nicht, doch wieder nach "Büchern fürs Englischlernen" zu fragen.
Hol dir Unterstützung
Wenn du wirklich gerne englische Bücher lesen willst, gibt es heutzutage so viel Hilfe.
Das kann die Wörterbuch-Funktion deines E-Readers sein.
Für ganze Sätze gibt es Online-Übersetzer wie DeepL. Kleiner Trick: Du kannst mit DeepL sogar eine kleine Textstelle einscannen und sie dir so direkt übersetzen lassen.
Natürlich ist es besser, wenn du nach und nach weniger Wörter nachschlägst. Aber zum Reinkommen kann es hilfreich sein, einfach mal einen Satz übersetzen zu lassen und dann zu überlegen: Wie viel hatte ich eigentlich schon richtig verstanden?
Oder du suchst dir eine Lesegruppe, in der ihr euch gegenseitig unterstützt und motiviert.
Oder du suchst dir 1:1 Coaching, um an deinen Lesestrategien zu arbeiten. Denn die sind wichtiger als ein riesiger Wortschatz.