Warum ich dir kein Buch zum Englischlernen empfehle

Juli 9, 2021

"Welches Buch ist zum Englischlernen geeignet?"

Alle.
Keins.

Gib die Frage in ein Forum ein und die Antworten reichen von "Fang mit Kinderbüchern an" bis "Sherlock Holmes ist cool" und viel Percy Jackson oder Harry Potter dazwischen.

Was ich erstaunlich selten sehe, ist die Gegenfrage:
Was liest du auf Deutsch?

Hast du denn Bock auf Harry Potter? Oder Moby Dick als Studienausgabe? Kinderbücher? "100 Jokes to improve your English"?

Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Versteh mich nicht falsch. Bücher sind wunderbar. Zum Lesen, zum Lernen, zum Leben. Ich sage nicht, dass du keine Bücher auf Englisch lesen sollst. Im Gegenteil. Und ich sage auch nicht, dass Buchempfehlungen Müll sind.

Heute erzähle ich dir aber, warum ich ungern Bücher empfehle, und schon gar nicht welche zum Englischlernen.

Spoiler: Empfehlungen fangen oft am falschen Ende an, nämlich beim Lernen. Und nicht bei dir. Aber gerade um dich gehts ja.

Hinweis:
Dieser Text richtet sich besonders dann an dich, wenn du schon mehr oder weniger Englisch kannst, also etwa im B2-Bereich rumwuselst. Aber auch vorher freust du dich sicherlich schon darauf, "richtige" Bücher zu lesen und findest die Tipps hier hoffentlich hilfreich.

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4 Ratschläge zur Bücherwahl und ihre Tücken

"Lies englische Bücher, um dein Englisch zu verbessern." Bücher? Warum Bücher?

Ist doch ein super Ratschlag, oder?

Ganz ehrlich: Wenn du im Alltag keine Bücher liest und auch keine Lust auf Bücher hast, ist es unwahrscheinlich, dass du plötzlich durch Bücher mit Leichtigkeit und Freude Englisch lernst. Nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich.

"Ich sollte Englisch lernen" + "Ich sollte Bücher lesen"? Da bist du doch zurück im Mindset der achten Klasse. 

Aber warum nur "Bücher" und nicht auch Nachrichten, Blogs, Zeitschriften, Fachtexte, soziale Medien oder Foren? Irgendwas liest du bestimmt, und all diese Texte gibt es natürlich auch auf Englisch. Die Tipps in diesem Artikel gelten auch für andere Textarten.

Du bist kein anderer Mensch, nur weil du gerade auf Englisch liest. Fang bei dir an. Dann kommst du leichter aus dem Lerner-Mindset raus und folgst statt dessen deiner Neugier.

Sagen wir aber, du liest gerne Bücher. Dann hast du sicher Vorlieben. Welche Bücher liest du gerne?

Mach dir Notizen: Was liest du normalerweise gerne?

Der Lustkiller: "Ich lese das, um mein Englisch zu verbessern."

Wie viele Bücher hast du im Schrank stehen, die du dir irgendwann gekauft hast, weil du dachtest, dass du sie lesen "solltest"? Weil sie gut für dein Englisch sind. Oder weil sie auf einer Bestseller-Liste stehen. Oder weil du dachtest, dass gebildete Menschen eben dieses Buch gelesen haben sollten.

Mein Mann sagt dazu: "That's just muesli. It might be good for you, but it doesn't bring you joy. "

Wenn du Bücher "zum Lernen" kaufst, verstärkst du im schlimmsten Fall das Gefühl, dass Englisch nichts mit deinem Leben zu tun hat. Englisch bleibt ein Lernfach, das du in deinen Alltag packen musst, wenn du eigentlich lieber ein "richtiges" Buch lesen würdest. Denk an die Schule. Wie viel Freude hattest du an "Lord of the Flies"? Genau. Ein Hoch aufs Erwachsensein.

Mach dir Notizen:

Warum liest du? Was macht dir besondere Freude am Lesen?

Ich bin doch schon groß: Das Problem mit "einfachen Büchern zum Lernen"

Es gibt ganz tolle Bücher, die für bestimmte Sprachniveaus aufbereitet sind.

Gerade am Anfang sind diese Bücher wunderbar, weil sie erste (und zweite und dritte) Schritte ins Lesen ermöglichen. Schwieriger wird es, wenn du schon Englisch kannst und endlich an den Punkt kommen möchtest, an dem du "normale" Sachen konsumierst.

Das Problem ist dann oft, dass du dir hoch motiviert einen Roman auf Englisch vornimmst und ins Straucheln kommst. Dein Schluss: "Ich muss leichtere Bücher lesen." Und du landest in der Abteilung "Bücher in leichter Sprache".

Wie gehts dir denn so, wenn du "einfache englische Bücher" in eine Suchmaschine tippst?

Für manche Leser sind leicht vereinfachte Texte ein Segen - es gibt prima Materialien, die den Druck rausnehmen können. Für andere verstärken sie aber nur die Furcht, niemals den Sprung ins "echte" Englisch zu schaffen und für immer bei Büchern zu hängen, die andere Leute als "geeignet" identifiziert und entsprechend aufbereitet haben.

Dabei kann es sein, dass dir gar nicht die Kenntnisse fehlen, sondern nur hilfreiche Lese-Strategien.

Der Tipp ist also nicht falsch. Er funktioniert aber nicht für alle.

Zum Thema Kinderbücher

Es gibt tolle Romane für Kinder, die auch Erwachsene lieben. Kinderbücher sind aber auch oft voller Sprachspiele, die alles andere als einfach zu verstehen sind. Und sie spielen in einer Kinderwelt, in der du dich nicht unbedingt ernst genommen fühlst.

Mach dir Notizen:

Hast du Bücher im Schrank, die fürs Englischlernen gedacht sind?

Was hat dir an ihnen gefallen? Was nicht?

"Lies ein Buch, das du schon auf Deutsch kennst." - Wie stehst du zum Nochmal-Lesen?

Wieder kein doofer Ratschlag, theoretisch musst du dich weniger anstrengen, wenn du die Handlung schon kennst.

Aber: Liest du Bücher sonst auch mehrmals?

Mein Mann macht das öfter, ich äußerst selten. Ich liebe wenige Bücher so sehr, dass ich sie noch mal lesen will, egal in welcher Sprache. Harry Potter auf Französisch war für mich Müsli.

Wie ist das für dich? Bist du beim zweiten Lesen motiviert und aufmerksam? Wenn ja: Go for it. Wenn nicht: Lies was anderes.

Der gemeinsame Nenner: Motivation und Aufmerksamkeit

Welche Bücher liest du zu Ende?

Die, die dir gefallen? Oder auch angefangene, aus Pflichtgefühl? In einer Fremdsprache wird ein "ich muss da durch"-Buch schnell zur Qual.

Ideal ist es, wenn du wissen willst, was in dem Buch steht. Klar, Fachwissen kann ich mir auch durch selektives Lesen aneignen. Aber Romane müssen uns ein bisschen einfangen, damit wir weiterlesen.

Dann wollen wir wissen, was als Nächstes passiert. Wir begleiten die Figuren, fühlen und denken mit ihnen und verbringen Zeit in einer anderen Welt.

Ein englisches Buch sollte nichts anderes machen. Ja klar bekommst du dabei neue Vokabeln, aber eben weil du sie haben willst und nicht, weil du Fleiß-Sternchen sammelst.

Lies keine Bücher, um dein Englisch zu verbessern. Benutze dein Englisch, um Bücher zu lesen.

Tipps, wie du Bücher findest

Fang bei dir selbst an und finde deine Komfortzone

Welche Bücher liest du zum Entspannen? Bei welchen Autor*innen fühlst du dich wohl? Welche Arten von Geschichten magst du?

Bleib nah an deiner Komfortzone. Wenn du Lust hast, lies Bücher, die du schon kennst. Oder Serien, die du angefangen hast. Vielleicht schreiben die Autor*innen im Original sowieso auf Englisch und du hast Lust, ihre "echten" Schreibstimmen kennenzulernen.

Wenn möglich: lies Geschichten

Klar, wenn du normalerweise zur Erholung Kierkegaard liest oder Börsennachrichten, hört sich das komisch an. Aber Geschichten packen dich eher und halten dich bei der Stange.

Gute Handlungen, Dialoge und dein Wortschatz

Wer in einem Dinosaurierpark fast gefressen wird und nebenbei zwei Kinder rettet, hat viel zu tun. Das funktioniert prima im Kino und sorgt für einen lebendigen Wortschatz. Morde in kleinen skandinavischen Städten betreffen Menschen mit Gefühlen, die mit anderen Menschen sprechen und dabei Dinge tun. Eine Frau, die von ihrem Mann verlassen wird und dann durch die Welt reist, Pasta isst, meditiert und sich am Strand verliebt, löst vielleicht nicht die großen Fragen des Lebens - aber sie erzählt dir von Liebeskummer, italienischer Küche und Achtsamkeit.

Wenn du dein Leben mit Englisch bereichern willst, dann lies auch Bücher, in denen Menschen leben.

Klar: Wenn du dich gerade auf Seminare zu agilem Management vorbereitest, greifst du nach anderen Büchern. Nur weil ich mir auf Dauer kein Leben ohne Romane vorstellen kann, muss es dir ja nicht auch so gehen. 😉

Der Weg durch den Buchladen ist das Ziel: Bücher suchen und aus Versehen lesen

Wie suchst du dir normalerweise Bücher aus?

Sammelst du Empfehlungen, liest Besprechungen und stöberst durch Bewertungen? Stehst du im Buchladen, liest Klappentexte und eine erste Seite nach der anderen?

Dann mach genau das auch mit englischen Büchern. Geh in die echte oder virtuelle Buchhandlung oder Bücherei und leg los.

Beim Stöbern übst du automatisch und quasi aus Versehen "reading for gist", bei dem du nur generell wissen willst, worum es geht. Praktisch, oder?

Dabei triffst du ähnliche Entscheidungen wie bei deutschen Büchern:

  • Habe ich Lust auf die Handlung?
  • Gefällt mir der Schreibstil?

Schreibstil und Leseverständnis

Du merkst recht schnell, ob du der Handlung in etwa folgen kannst. Wenn du gefühlt etwa 70-80 % verstehst, wirst du das Buch vermutlich ohne größere Schwierigkeiten lesen können. Gib dir etwa 5 Vokabel-Joker pro Seite: "Wenn ich die 5 Wörter nachschlagen kann, dann weiß ich, was passiert."

Geh also nicht mit dem Gedanken ran "oh je ich verstehe nicht alle Wörter". Du musst nicht alle Wörter kennen - und nach und nach lernst du auch Strategien, um auch Teile zu verstehen, die dich auf den ersten Blick etwas einschüchtern. Romane verzeihen dir ja sowieso viel: Du musst nicht alle Einzelheiten verstehen, und wenn du wissen willst, wie es weitergeht, schaust du auch nicht jede Vokabel nach.

Was hilft? Nutz dein Wissen

In welchen Büchern fühlst du dich zu Hause?

Je besser du das Genre, den Schreibstil, die Figuren und ihre Welt kennst, desto einfacher wird es. Krimifans haben einen anderen Wortschatz als Menschen, die in Fantasy oder romantischen Komödien glücklich werden. Wer ein Jahr lang nur Sherlock Holmes liest, spricht danach anders als jemand, der sich in der Outlander-Serie festgebissen hat.

Je einfacher gestrickt, desto leichter zu verstehen

Aus welchen Elementen besteht ein Krimi? Wie ist eine romantische Komödie aufgebaut?

Gerade am Anfang sind vorhersehbare Handlungen hilfreich. Es gibt nur wenige Überraschungen und du kannst dir teilweise was aus dem Kontext heraus zusammenreimen.

Wissen oder Strategie?

Wenn du nach den ersten Seiten denkst: Woah, das schaffe ich nie, kann das unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht sind es die Vokabeln, vielleicht aber auch der kulturelle Kontext. Oder du kennst das Thema noch nicht gut.

Mach dir in solchen Fällen keine Sorgen, dass dein Englisch "nicht gut genug" ist. Oft fehlen nur wenige Wörter oder Lesestrategien, damit du es alleine packst.

Eine Option: Du kannst dich weiter umschauen

Welche Bücher würdest du auf Deutsch eher am Strand, in der Wanne oder vor dem Einschlafen lesen? Gibt es Serien, die du schon angefangen hast? Oder nimm dir kürzere Texte vor - einen Blog, den du gerne liest, oder eine Zeitschrift zu einem deiner Hobbys. Kochbücher, DIY-Anleitungen, egal.

Bei mir stand das Good Food Magazine lange auf der Liste. Die Vokabeln wiederholen sich ständig, irgendwann kannte ich mich halbwegs aus und irgendwann wurde es langweilig. Perfekt.

Und Katie Fforde. Als ich nach England gezogen bin, war ich so auf B2-C1-Niveau. Und total frustriert, weil ich Texte für die Uni lesen konnte, aber nicht das Hello-Magazine. Nicht, weil das Hello-Magazine schwierig ist, sondern weil mir in der Schule niemand Wörter wie "snogging" (=knutschen) beigebracht hat.

Also habe ich Katie Fforde gelesen. Da gibt es wenige Überraschungen, die Figuren sind ähnlich gestrickt, die Berufe ändern sich, aber das war es fast schon. Und genau das war super für meine Lese-Strategien. Sogar ohne eReader, der mir Vokabeln ausspuckt (was übrigens ein guter Tipp ist).

Wenn du ein Buch gefunden hast, das dir Spaß macht, dich ein bisschen einfängt, sich "machbar" anfühlt und mit dem du dich wie du selbst fühlst: Lesen. Und danach gleich noch eins.

Option 2: Und wenn du gar nicht reinkommst?

Dann empfehle ich dir nicht, ein Buch nach dem anderen zu kaufen und zu hoffen, dass du irgendwann "gut genug" bist. Such dir lieber eine Lesegruppe, in der ihr euch gegenseitig helft und motiviert. Oder such dir jemanden, der dir Lesestrategien zeigt.

Alle Übungen und Anregungen zum Schreiben oder Sprechen auf einen Blick:

Was liest du normalerweise?

Warum liest du? Was macht dir besondere Freude am Lesen?

Hast du Bücher im Schrank, die fürs Englischlernen gedacht sind? Was hat dir an ihnen gefallen? Was nicht?

Liest du Bücher mehr als einmal?

Hast du schon mal ein Buch in einer Fremdsprache gelesen, das du "einfach so" lesen konntest? Wie hast du das Buch gefunden?

Wie findest du neue Bücher zum Lesen? Wo findest du Inspiration?

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Hinterlass mir einen Kommentar:

  • Vielen Dank für diesen schönen Artikel!
    Ich habe mit Büchern „aus Versehen Englisch gelernt“. Als ich mich vor über 20 Jahren für Veganismus interessiert habe, gab es noch nicht so viel deutschsprachige Literatur zum Thema. Daher habe ich mir Kochbücher aus England bestellt. Mir ist erst viel später aufgefallen, dass ich dadurch einen sehr guten Küchenwortschatz erworben habe. 🙂

    • Danke! Wie toll, dass Du diese Erfahrung machen konntest. Den Wortschatz vergisst Du ganz sicher auch nicht mehr. Vielen Bloggern und Marketing-Interessierten geht es ja auch so: Inhalte und Trainingsvideos sind oft auf Englisch, dafür wiederholt sich aber auch alles ständig. Das Ergebnis: Mehr Wissen und mehr Englisch. Happy Cooking und viele Grüße!

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