Hast du Englisch-Altlasten?

Januar 17, 2022

Es gibt Sätze, die willst du 2022 nicht mehr rumtragen.

Ich habe heute eine kleine Geschichte für dich, vielleicht passend zum Jahresanfang. Es kann sein, dass du sie schon kennst:

Zwei Mönche auf Wanderschaft kommen an einen Fluss. Dort steht eine Frau, die nicht durch die Strömung gehen kann und die Mönche um Hilfe bittet. Der ältere Mönch trägt die Frau auf die andere Seite. Sie bedankt sich und die Mönche gehen weiter. Irgendwann sagt der jüngere Mönch: "Aber wir sollen doch keine Frauen berühren, wie konntest du diese Frau bloß tragen?"

Darauf sagt der ältere Mönch: "Ich habe die Frau am Fluss abgesetzt. Trägst du sie immer noch?"

Kanntest du schon? Kann sein. Im schlimmsten Fall ist sie dir in der 8. Klasse im Diktat untergekommen. Und im allerschlimmsten Fall hattest du direkt danach Englisch bei einem fiesen Lehrer.

Und genau wegen diesem Lehrer erzähle ich diese Geschichte öfter im Coaching. Immer dann, wenn es um Englisch-Altlasten geht.

Denn vielen Erwachsenen fällt Englisch unter anderem deshalb schwer, weil sie lästige Gedanken mit sich herumtragen. Die Gedanken an den Englisch-Lehrer. Gedanken an Klassenkameraden, Kollegen, oder andere Menschen, die ihnen die Beziehung zu ihrem Englisch versaut haben.

Ich sage nicht, dass man solche Erlebnisse leicht loswird. Aber für viele Menschen ist es ein Riesenschritt, sich überhaupt klarzumachen, dass sie quasi immer noch die Frau vom Fluss mit sich herumtragen. Und dass sie sie absetzen dürfen.

So ähnlich ist es auch mit anderen "schweren Gedanken": Sorgen um Grammatik, den deutschen Akzent, die vielen unbekannten Vokabeln - kein Wunder, dass die meisten Lernenden sich vor allem eins wünschen: mehr Leichtigkeit für ihr Englisch.

Mehr Leichtigkeit heißt, dass man irgendwas loslassen konnte.

In den letzten Wochen war mein Instagram-Feed voll von guten Wünschen fürs neue Jahr, aber auch immer wieder dem Vorsatz, bestimmte Dinge loszulassen. Ich hatte das Gefühl, dass niemand "mehr" von irgendwas wollte, sondern nur noch "weniger". Passend dazu habe ich meine Kund*innen gefragt, welche Englisch-Altlasten sie 2021 hinter sich lassen konnten oder auch gerne 2022 loslassen möchten.

Die Top 3 gibts hier. 

Inklusive einiger "Knackpunkte", die beim Ablegen helfen. Danach ist das Thema natürlich noch da - aber es fühlt sich vielleicht nicht mehr so schwer an. Es ist "einfach nur" ein Sprachen-Thema, an dem du arbeiten kannst.

Eine Lasten-Liste zum Jahresanfang

Damit das hier eine Mitmach-Liste wird, kannst du gleich überlegen: Was würde auf deiner Liste stehen? Was sind deine "Englisch-Gedankenlasten", die du 2022 loslassen willst? Oder schon im letzten Jahr abgesetzt hast? Schreib mir gerne in die Kommentare! Dann kann diese Liste wachsen.

Also, legen wir los mit der Januar-2022-Loslass-Liste:

"Ich kann halt kein Englisch."

Mich überrascht, wie oft sich genau dieser Wortlaut in Gesprächen wiederholt. "Ich kann halt kein Englisch." Kein Englisch, als wäre da rein gar nichts. Ist "halt" so, da kann man nichts machen - oder?

Also: Der Satz ist nie wahr. Selbst komplette Anfänger können schon etwas Englisch. Und wer irgendwann Englisch gelernt hat, hat eine bessere Grundlage als er oder sie denkt. Nein, ich sage nicht: "Ist doch alles da, du musst nichts mehr machen." Aber: Es ist nicht nichts da.

Alle Lernenden bringen was mit, auf dem sie aufbauen können.

Warum ist dieser Satz dann so belastend? Meiner Erfahrung nach liegt die Last in Erwartungen - den eigenen und denen von außen. Manchmal geht es dabei wirklich um fiese Lehrer, schlechte Noten oder peinliche Erlebnisse. Das ist aber ehrlich gesagt eher selten. Auch Menschen, die in der Schule allgemein und vielleicht sogar in Englisch "eigentlich gar nicht so schlecht" waren, tragen oft das Gefühl mit sich herum, dass sie "Englisch irgendwie nicht gebacken bekommen" haben. Die Noten waren vielleicht nicht so gut wie in anderen Fächern. Die Fehler schmerzlicher. Die Scheu vorm Sprechen größer. Dann ist da dieses Gefühl, niemals ein Gespür für die Sprache entwickelt zu haben. Ist "halt" so.

Ist aber eben nicht so.

Erwachsene, die ihr Englisch verbessern wollen, haben einen riesigen Ressourcen-Schatz.

Erwachsene kennen sich selbst schon viel besser und haben über viele Jahre hinweg immer wieder Neues gelernt. Sie sind Experten in ihren Fachgebieten, haben Schulungen besucht oder unterrichten sogar selbst. Dieses Wissen und diese Erfahrungen bringen sie mit, wenn sie sich ihrem Englisch widmen.

Wer dann nach einigen Jahren wieder anfängt, sich intensiver mit Englisch zu beschäftigen, merkt: Woah, da ist ja doch noch ganz viel! Und: Ach, das kenne ich schon. Und: Es lernt sich leichter. Erwachsene haben gute Gründe, ihr Englisch zu verbessern, und das gibt viel Energie - weil es plötzlich Sinn macht, Zeit zu investieren.

Irgendwann wird das Gefühl, "halt kein Englisch zu können", schwächer. Lücken gehören dann zum Prozess - schließlich lernen wir ja auch in anderen Lebensbereichen immer weiter dazu und entwickeln uns weiter.

Du bist dir nicht so sicher, ob du Gute Gründe fürs Englisch-Lernen hast? Mach hier den Selbst-Test "Warum Englisch lernen?"

"Ich habe nicht genug Zeit zum Lernen."

"I haven't done anything for my English this week!"

Den Satz höre ich sehr oft, und so langsam hat sich darauf fast ein kleines Ritual entwickelt:

"I haven't done anything for my English this week!"

"Really? You haven't used English at all?"

"Well, actually, I read a chapter in my novel."

"That's great."

"And I wrote an email to a client."

"Marvellous, how did that go?"

"Quite well, I think."

"So ...."

"Yeah, yeah, I did something. But I did not do the exercises we discussed. I didn't have time."

Das Gefühl, Erwartungen nicht erfüllt zu haben, begleitet viele Menschen immer wieder. Es gibt immer mehr zu tun als wir leisten können. Der Reflex "I haven't done anything" oder "I didn't have time" kann aber auch zur Gewohnheit werden, die unseren Blick auf das verstellt, was eigentlich wirklich gerade passiert.

  • Wie viel Zeit kannst und willst du denn realistisch mit Englisch verbringen?
  • Was wolltest du denn erreichen?
  • Und "zählt" wirklich nur die Zeit, die du mit Übungen verbringst - oder zählen die anderen Sachen auch?
  • Was hast du konkret gemacht?
  • Reicht das für deine Ziele - oder willst du es nächste Woche anders machen?

Wenn du nicht mehr in der Schule bist, keine Prüfung bestehen musst und ohne konkreten äußeren Druck Englisch lernst, darfst und musst du dir klarmachen:

You are the boss. It's your gig.

Die Frage nach der Zeit ist eigentlich eine Frage nach deinen Zielen, und danach, wie du Fortschritte sichtbar machen möchtest.

In anderen Lebensbereichen bekommst du das vielleicht schon gut hin - es kann sein, dass die gleichen Strategien auch in Bezug auf dein Englisch funktionieren. Es kann aber auch sein, dass du dich "eingrooven" musst, neue Techniken und Strategien lernst und dir gerade am Anfang Unterstützung holst.

Klar, es kostet Geduld und Aufmerksamkeit, sich in dieser neuen Rolle einzuleben. Du musst Entscheidungen treffen, beobachten, wie du deine Zeit verbringst, eventuell nachjustieren. Und Verantwortung übernehmen.

Deshalb freut es mich natürlich, wenn Kund*innen das als Erleichterung empfinden:

"I decide what I do, and how much time I spend. That feels so good."

Ich darf keine Fehler machen

Wir alle wissen, dass man aus Fehlern lernt. Wir müssen Fehler machen, um Feedback zu bekommen. Fehler sind Daten. Ist aber nicht so einfach, wenn man sich gerade im echten Leben durch einen Satz haspelt.

Fehler - oder auch ganz einfach nur die Angst vor Fehlern - können dich knebeln. Was hilft also? Schau dir mal diese Aussage von einer Kundin an:

“Ja, klar habe ich mitten im Meeting deine Stimme im Kopf gehabt - 'psst, third singular -s' - aber ich wusste auch, dass es gerade nicht darum geht, sondern um meine Expertise. War doch egal in dem Moment, oder?”

Diese Kundin hat es geschafft, ihr Englisch durch unterschiedliche Brillen zu betrachten: Manchmal arbeiten wir an Sprachthemen, manchmal schauen wir genau hin und korrigieren, passen an, erweitern den Wortschatz. Aber doch nicht im Meeting! Im Meeting vertraut sie auf ihre Fähigkeiten, konzentriert sich auf Inhalte, ist als Expertin in ihrem Fachgebiet unterwegs. Da schiebt sie die Sorge um Fehler zur Seite, denn die würde sie bei der Arbeit stören. Und genau dadurch wirkt sie auch auf ihr Publikum souverän.

Keine Angst vor Fehlern zu haben, heißt nur: Du weißt, wann es Zeit ist, auf Fehler zu achten und wann nicht.

Wie wäre es, wenn du deine Fehler sogar lieben lernst? Mehr dazu: Love your mistakes.

Reisen mit leichterem Gepäck

Es gibt viele "schwere Sätze", die Lernende mit sich herumtragen, wenn sie sich eigentlich einen leichten Umgang mit ihrem Englisch wünschen.

Diese Sätze abzusetzen wie die Frau am Fluss heißt nicht, dass das "Thema" dahinter plötzlich weg ist. Natürlich werkelst du weiter und verbesserst dein Englisch. Dass du dir weniger Sorgen machst, heißt ja nicht, dass du dein Englisch nicht mehr ernst nimmst (uh-oh, ist der Gedanke auch ein Kandidat für die Liste?).

Sagen wir es mal so: Den Berg besteigst du trotzdem noch selbst. Aber dein Gepäck ist leichter.

Und du so? Was möchtest du gerne ablegen, damit der Weg leichter wird?

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