Du und dein Englisch im Supermarkt - welche Vokabeln solltest du kaufen?
Du und dein Englisch steht im Supermarkt. Ihr überlegt: Was nehmen wir mit? Alles, worauf wir Lust haben? Nur das Nötigste? Die Sonderangebote? Einfach 10 Sachen, die euch einfallen? Oder seid ihr so von der Auswahl überfordert, dass ihr letztendlich gar nichts mitnehmt?
Das Supermarkt-Bild benutze ich immer wieder, um eine der wichtigsten Fragen beim Englischlernen anzugehen: Wie triffst du Kaufentscheidungen, wenn es um deinen Wortschatz geht?
Dieser Blogpost ist eine gekürzte Fassung der Podcast-Folge: "Du und dein Englisch im Supermarkt - welche Wörter sollst du einkaufen?".
Du möchtest lieber gleich reinhören? Dann klick hier (auf den Text klicken).
Wie viele Wörter brauchst du wirklich?
Vielleicht hast du dir schon mal ein Ziel gesetzt wie: "Ich möchte zehn neue Wörter pro Woche lernen." Klingt erstmal "smart". Ist es aber nicht unbedingt. Denn zehn Wörter pro Woche zu lernen ist gar kein wirkliches Ziel. Das ist eine Handlungsbeschreibung. Und eine ziemlich willkürliche noch dazu. Du würdest ja niemals in den Supermarkt gehen und sagen: "Ich kaufe heute zehn Dinge."
Über das Thema Zielesetzen habe ich hier schon geschrieben.
Beim Vokabellernen ist das nicht anders. Auch da ist die Menge eigentlich weniger entscheidend - und im Zweifelsfall stehen dir abstrakte Zahlen für "Wörter, die ich lernen sollte" eher im Weg.
Zahlen als Orientierung – aber nicht als Maßstab
Es gibt natürlich Schätzungen dazu, wie viele Wörter man können sollte, um sich auf Englisch kompetent zu bewegen. Nur leider ist es gar nicht so einfach, diese Zahlen sinnvoll einzuordnen. Brauchst du jetzt die 1.000 häufigsten Wortfamilien, mit denen du 65 bis 85 Prozent der Sprache verstehst? Oder strebst du die 15.000 bis 30.000 Wortfamilien an, die native speaker drauf haben? Oder quälst du dich mit der kompletten Auswahl im Oxford English Dictionary, das ja 240.000 Einträge für aktuell genutztes Englisch hat?
Über die Frage "Wie viele englische Wörter sollte ich lernen" kannst du hier mehr lesen.
Was du dir aus der gesamten Debatte um Zahlen mitnehmen kannst ist vor allem das:
Du brauchst vermutlich nicht so viele Wörter wie du denkst. Und: Du brauchst auf keinen Fall "alle Wörter".
Dein Englisch-Wortschatz ist kein Supermarkt, den du leer kaufen musst.
Sieh englische Vokabeln statt dessen als ein riesengroßes Angebot, aus dem du dich bedienen kannst - je nachdem, was du gerade brauchst.
Welche englischen Wörter solltest du lernen?
Damit kommen wir zur viel interessanteren Frage: Welche Wörter solltest du denn eigentlich lernen?
Frag mal aus Spaß irgendwelche Menschen, woher sie ihre englischen Vokabeln holen. Du wirst garantiert jede Menge Antworten bekommen - und die sind alle in etwa so hilfreich, als würdest du im Supermarkt jemanden fragen: "Hey, ich will Sachen kaufen. Kann ich Ihre Einkaufsliste benutzen?"
Denn: Ob du jetzt Filme schauen, Bücher lesen, Graded Readers nutzen, Vokabellisten lernen, Apps hochladen, Kursbücher durcharbeiten, Phrasenlisten büffeln oder "einfach halt mit Menschen sprechen" sollst - wird ja davon abhängen, was du eigentlich "kochen" willst - also: welche Ziele du mit deinem Englisch hast.
Schauen wir uns mal typische Quellen an.
Drei Quellen für neue englische Wörter
Wenn du dich fragst, woher du deinen Wortschatz überhaupt nehmen sollst, hilft eine einfache Einteilung:
- Lernmaterialien: Apps, Bücher, Vokabellisten – also alle Materialien, die für Lernende gemacht wurden.
- Authentische Inhalte: Podcasts, Serien, Artikel – also Inhalte, die für ein englischsprachiges Publikum "gemacht" sind. Sie existieren, weil sie eben existieren - nicht, weil sich jemand dachte: Hey, damit kann man Englisch lernen.
- Deine eigenen Lücken: Das fühlt sich vielleicht nicht wie eine "Quelle" an, ist aber eine: Deine Einkaufsliste füllt sich auch aus Momenten, in denen du merkst: "Hier fehlt mir etwas."
Wie entscheidest du aber, welche Quellen du nun nutzen solltest, und welche Wörter du dann lernst?
Relevanz entscheidet
Eigentlich musst du nur eine Frage beantworten: Was ist gerade relevant für mich? Nicht: Welche Wörter sind allgemein nützlich? Oder: Welche Wörter "sollte" man kennen? Einfach nur: Ist das gerade relevant für mich?
Wenn du als erwachsene Person Englisch lernst, wird das hauptsächlich von dir selbst abhängen. Trotzdem wird manchmal von anderen Menschen entschieden, was "relevant" ist – zum Beispiel wenn du eine Englisch-Prüfung ablegst. Dann bist du natürlich dankbar dafür, wenn dir jemand vorgibt, welche Vokabeln du brauchst. Deshalb wirst du dich in so einem Fall über Kursbücher und Vokabellisten freuen, die dir helfen, dich gezielt auf diese bestimmte Prüfung vorzubereiten.
In den allermeisten Fällen wirst du aber selbst entscheiden müssen, was gerade relevant für dich ist. Denn normalerweise wirst du Situationen erleben, in denen du zwar Englisch brauchst, es aber nicht primär um dein Englisch geht.
- Prüfungen, die auf Englisch stattfinden, in denen es aber um andere Fachthemen geht.
- Referate und Vorträge.
- Meetings und Präsentationen.
- Alltagsgespräche oder Diskussionen
In diesen Situationen brauchst du Sprache, mit der du dich in diesem spezifischen Kontext gut bewegen kannst.
Dabei gilt: Je spezifischer der Kontext, desto leichter wird es dir fallen, authentische, relevante Materialien zu finden.
Wenn du dich auf ein fachliches Thema vorbereitest, wirst du Fachtexte auf Englisch lesen und dir wichtige Vokabeln und Ausdrücke aneignen.
Wenn du weißt, dass du in einem Meeting über ein bestimmtes Thema sprechen wirst, kannst du dich vorher sprachlich darauf vorbereiten.
Aber was passiert, wenn du keine spezifischen Situationen im Sinn hast? Was, wenn du gar kein konkretes Anwendungsziel hast, sondern "einfach Englisch lernen" willst? Dann machst du dir trotzdem Gedanken darüber, was für dich relevant ist - aber du gehst die Frage vielleicht anders an.
Eine kleine Übung: Projekte, Lebensbereiche, Interessen
Wenn du es schwierig findest, zu entscheiden, welche Themen und Vokabeln für dich relevant sind, können dir diese drei Kategorien helfen:
- Projekte: Was machst du gerade? Hast du gerade Projekte mit Anfang und Ende? Einen Auftrag bei der Arbeit, ein Buch, einen Kurs, den du besuchst?
- Lebensbereiche: Welche Rollen spielst du in deinem Alltag? Welche Menschen sind dir wichtig, und was unternimmst du gerade mit diesen Menschen? Bastelst du mit deinen Kindern? Renovierst du was im Haus? Planst du einen Ausflug oder einen Spieleabend?
- Interessen: Was begeistert dich immer wieder? Welche Themen interessieren dich dauerhaft? Bei welchen Überschriften bleibst du hängen, wenn du Zeitungen oder Magazine liest und in den sozialen Medien scrollst?
Wenn du weißt, was dich gerade beschäftigt, findest du schneller Wortfelder, die für dich Sinn machen. Und: Du findest auch leichter authentische Materialien. Kleine Erinnerung: "Authentische Materialien" heißt: Du schaust Yoga-Videos, Töpferkurse, Softwaretutorials oder Filme auf Englisch. Nicht "Töpfern für Englischlernende", sondern: Pottery 101 oder "How to ..." auf Englisch. Material für erwachsene Menschen. Auf Englisch.
Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es ist, aus dem Mindset "ich lerne Englisch, also brauche ich Material für Englischlernende" herauszukommen. Du töpferst. Also brauchst du Material für Menschen, die töpfern. Und da gibt es auf Englisch ganz sicher viel zu sehen.
Die "das brauche ich nicht"-Liste
Wenn es dir schwer fällt, dich von dem Gedanken zu lösen, dass du "alle" Wörter brauchst, kannst du übrigens auch aus Spaß eine Liste mit Themen machen, die dich nicht interessieren.
Segelbegriffe zum Beispiel: Die sind für einige meiner Kundinnen unglaublich wichtig, und sie kennen auch auf Englisch Ausdrücke und Wörter, die ich noch nie gehört habe. Schließlich konsumieren sie automatisch Newsletter, Blogartikel, Bücher, Social Media Posts und Podcasts zum Thema Segeln und schnappen dabei auch viele englische Begriffe auf. Wenn ich die dann nicht kenne, reagieren sie erstaunt: Aber du kannst doch Englisch? Ja klar, aber ich segle halt nicht. Und Segelbegriffe kenne ich weder auf Deutsch noch auf Englisch. Warum auch? Das ist dann oft ein echter eye-opener: Stimmt, warum auch?
Der Supermarkt ist ja deshalb so groß, weil er für alle Menschen da ist. Also auch für Seglerinnen, Schachspielerinnen, Sportfans und Menschen mit Hobbies, die ich mir nicht mal vorstellen kann.
Und was ist mit dem Grundwortschatz?
Okay, also: Finde Materialien, die zu deinen Interessen passen. Wie ist das nun aber mit dem "Grundwortschatz". Gibts den? Solltest du den lernen? Ja und nein. Es gibt natürlich Wörter, die in der natürlichen Sprache besoners häufig vorkommen. Aber: Es bringt nicht so viel, diese Wörter von Listen zu lernen.
Häufige Wörter gehören ja deshalb zum Grundwortschatz, weil sie dir immer wieder begegnen. Du wirst sie sehen, hören, vielleicht stolperst du öfter über sie. Und genau dann lernst du sie auch. Also gilt auch der Umkehrschluss: Wenn sie dir sowieso ständig begegnen, musst du sie auch nicht von einer Liste lernen.
Denn Listen fühlen sich nun mal schnell - ja, genau - irrelevant an.
Achte auf dein Aufmerksamkeits-Budget
Was du nicht tun solltest: Irgendwas lernen
Wer gerade keine konkreten Ziele hat, tappt meiner Erfahrung nach häufig in die "Irgendwas"-Falle. Ich habe es in meiner Arbeit immer wieder mit Menschen zu tun, die tolle Duolingo Streaks vorzuweisen haben, oder deren Bücherregale voller "Phrasebooks" und "Graded Readers" stehen - und die trotzdem mit dem Gefühl dastehen, einfach nicht genug englische Vokabeln zu kennen.
"Irgendwelche" Wörter zu lernen, weil sie "vielleicht" nützlich sind, oder weil "man" sie doch kennen sollte, ist anstrengend. Letztendlich stehst du dann da und hast keine Ahnung, wann oder wie du diese Wörter im echten Leben verwendest.
Das ist, als hättest du eine volle Vorratskammer, weißt aber nicht, was du mit den Sachen kochen sollst. Und du kannst dir gut vorstellen, dass das nicht nur frustrierend sondern auch teuer ist.
Teuer ist das "irgendwas lernen" auch im Bezug auf deinen Wortschatz: Denn du hast Zeit, Energie und Aufmerksamkeit investiert. Ohne praktischen Nutzen fühlt sich das wie eine Fehlinvestition an. Und genau so solltest du die Zeit ansehen, die du in deinen Wortschatz investierst: Als Investition.
Dein Budget kannst du planen
Wenn du deine Wortschatzarbeit ernst nimmst, wirst du dein "Aufmerksamkeits-Budget" im Blick behalten. Wie viel Zeit habe ich? Welche Wörter haben für mich gerade Priorität? Denn: Nicht alles, was dir begegnet, musst du lernen. Und nicht alle Wörter, die eigentlich allgemein nützlich sind, brauchst du jetzt sofort. Manchmal ist es besser, etwas im Regal zu lassen und zu kaufen, wenn du es wirklich brauchst.
Dazu eine kleine Beruhigung: Wichtige Wörter werden dir immer wieder begegnen. Es machst also nichts, wenn du sie nicht "sofort mitnimmst". Und wenn sie dir nicht mehr begegnen? Tja, dann waren sie wohl auch nicht so wichtig.
Fazit
Es ist nicht so wichtig, wie viele Wörter du brauchst. Diese abstrakte Frage lenkt dich viel zu sehr von der eigentlichen Frage ab: Welche Wörter brauchst du?
Als erwachsene Person entscheidest du größtenteils selbst, welche Wörter du brauchst. Du weißt, welche Themen für dich relevant sind. Du weißt, was du mit deinem Englisch erreichen willst. Du weißt, welche "Rezepte" ihr gerne kocht.
Wenn du Materialien aussuchst, die für dich relevant sind, wirst du auch auf Vokabeln stoßen, die du wirklich brauchst, um über Dinge zu sprechen und zu schreiben, die zu deinem Leben passen.
Und je klarer dein Fokus ist, desto besser werden deine Wortschatz-Investitionen.
Nicht vergessen: Du musst den Supermarkt nicht leer kaufen. Der Supermarkt ist für alle Menschen da. Auch für die, die ganz andere Themen im Kopf haben als du und dafür andere Wörter brauchen.
Hier gibts die Podcast-Folge zum Post. Falls du nur die graue Voranzeige siehst, musst du noch den Inhalt von letscast.fm freischalten.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von letscast.fm zu laden.