Was du beim Laufen übers Lernen lernen kannst

August 10, 2021

Was du beim Laufen übers Lernen lernen kannst

Ich laufe seit einiger Zeit ziemlich regelmäßig. Nicht besonders enthusiastisch, nicht besonders gut, aber ich laufe. Und je länger ich laufe, desto deutlicher wird: Laufen ist Lernen. Es stellt mich oft vor Herausforderungen, die andere Menschen beim Englischlernen erleben - das sind Mindset-Themen rund ums Loslegen, Dranbleiben und um achtsamen Umgang mit mir selbst (und anderen).

Wiederholung ist öde? Nicht jeder Tag ist gleich.

"Du läufst schon wieder die gleiche Strecke?"

Mein Mann und ich rennen nicht zusammen. Ein Grund dafür ist, dass er gerne neue Strecken ausprobiert. Ich renne fast immer die gleiche Strecke. Da schalte ich besser ab, ich weiß, was mich erwartet. Außerdem mag ich, wie sich die gleiche Strecke jeden Tag ein bisschen anders anfühlt und auch ein bisschen anders aussieht.

Auch beim Lernen ist nicht jeder Tag gleich. Manchmal bist du ausgelaugt und überfordert, an anderen Tagen läuft es einfach.

Wenn du dir bestimmte Übungen aussuchst, die du immer wieder machst, wirst du merken: Aha, auch mein Englisch hat eine Tagesform. Mir fallen bestimmte Dinge leichter, wenn ich gut geschlafen habe. Andere Sachen mache ich total gerne, wenn ich gerade Ruhe brauche.

Es kann also nützlich sein, bestimmte Übungen immer wieder zu machen. Damit meine ich nicht GENAU die gleiche Übung, sondern die gleiche Art von Übung, zum Beispiel:

  • Journaling
  • Talk is Cheap
  • Shadowing
  • Close listening

Je öfter du eine Übung machst, desto besser wird dein Gespür für deine Tagesform. So wirst du mit der Zeit lockerer. Ach, heute war nicht so ein super Tag. Nächstes Mal läufts wieder.

Außerdem wirst du feststellen: Hey, ich werde besser. Echt, es wird leichter. Du schreibst mehr oder fühlst dich entspannter oder merkst, dass bestimmte Vokabeln immer wieder kommen und dir schneller einfallen.

Wenn ich immer die gleiche Strecke laufe, achte ich ein bisschen darauf, wie weit ich nach 5, 10 oder 25 Minuten gekommen bin. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, an dem ich zum ersten Mal so richtig bewusst festgestellt habe: Moment, als dieses Lied zu Ende war, war ich letzte Woche noch am letzten Häuserblock. Das waren vielleicht 100 Meter mehr, die hätte ich beim Laufen nicht festgestellt. Und so habe ich mich ein bisschen gefreut.

Everybody is tying their own knots - niemand achtet auf dich

"Hilfe, alle schauen mir zu und sehen meine Fehler!"

Meine übliche Route führt am Segelklub vorbei. Letztens haben da mehrere Männer schön aufgereiht direkt am Weg Knoten geknüpft.

Ich so: "Na super, jetzt muss ich direkt an denen vorbei laufen." Schwitzend und schnaufend in Leggings.

Weißt du was?

Niemand hat auf mich geachtet. Die waren mit ihrem eigenen Kram beschäftigt.

Eine Hürde beim Sprachenlernen ist ja, dass du irgendwann mit anderen Leuten sprechen wirst. Niemand will sich in Gruppen blamieren. Aber ganz ehrlich: Die meisten Menschen sind so sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, dass sie nicht auf deine Fehler oder dein Zögern achten. 

Die machen ihre eigenen Knoten.

andere Menschen sind mit sich selbst beschäftigt

Wann sind wir endlich da? Englischlernen, Joggen und die große Lustlosigkeit

Der Punkt kommt immer, egal wie lang oder kurz ich laufe. Wann bin ich endlich da? Manchmal kurz vor dem Halbzeitpunkt, manchmal ganz am Anfang, manchmal sogar, wenn ich eigentlich schon fast durch bin. Irgendwann überkommt mich die große Langeweile.

Ich versuche das positiv zu sehen. Wenn ich mich langweile, kämpfe ich offensichtlich gerade nicht mit Seitenstechen, Atemnot, Knieschmerzen oder so. Eigentlich ist alles okay. 

Was hilft?

Den Leerlauf nutzen und beobachten, was um mich herum los ist.

Wenn mir langweilig ist, habe ich genug innere Ruhe, um auf meine Umgebung zu achten. Anstatt die Gedanken herumsurren zu lassen, achte ich dann auf die Wolken, die Bäume, den Wind, den Boden, auf dem ich laufe. Das ist manchmal, als würde ich eigentlich jetzt erst richtig ankommen. Ach, da läuft ja ein Hund mit einem Verband an der Pfote. Ein Reiher steht reglos unter einer Weide. Die Haubentaucher tragen ihre Kleinen auf dem Rücken herum. Der Wind riecht nach Regen.

Wenn dir beim Lernen zwischendurch der Elan ausgeht, mach eine kurze Achtsamkeitsübung. Schau aus dem Fenster und beobachte, was draußen los ist (selbst, wenn es wie bei mir ein Dachfenster ist und nur Himmel zu sehen ist). Achte auf die Geräusche um dich herum. Was fühlst du gerade? Was riechst du? Schreib es auf. Auf Englisch.

So nutzt du die Mehmeh-Stimmung, um einfach mal das Leichte und Unaufgeregte zu genießen.

Ressourcen aus anderen Bereichen nutzen

Ich bin keine besonders tolle Läuferin. Mir fehlen die Ausdauer und der Wille, mich zu pushen.

Ganz klassisch also: Meine Gedanken sind viel zu oft bei dem, was meiner Meinung nach noch fehlt.

Das ist ja beim Sprachenlernen nicht anders. Wie oft denkst du an alles, was du noch nicht kannst? Wie oft freust du dich über alles, was du in den letzten Wochen gelernt hast?

Wenn wir etwas Neues lernen oder eine Fähigkeit weiter entwickeln, vergessen wir oft, welche Ressourcen wir schon mitbringen. Geduld. Oder den Willen, genau über ein Problem nachzudenken. Die Fähigkeit, neues Wissen mit bestehendem zu verknüpfen. Ein tolles Kurzzeitgedächtnis. Kreativität. Humor.

Irgendwann ist mir beim Laufen aufgefallen, dass ich nur sehr selten Seitenstechen bekomme. Das hat mich gewundert, weil in meinem Laufpodcast ständig davor gewarnt wird. Also habe ich darauf geachtet, wie ich atme. Und ich habe gemerkt, dass ich zwischendurch immer wieder Atemtechniken benutze, die ich vom Meditieren kenne.

Das mache ich jetzt noch bewusster und stelle fest, dass mir die Techniken helfen, wenn ich mich langweile, oder wenn ich vor einer Steigung ein bisschen nervös werde.

Wer eine Sprache lernt, sieht oft keine Verbindung zwischen Fähigkeiten, die er im "echten Leben" hat und den Herausforderungen, die beim Englischlernen auftreten. Achte gern darauf, welche Herausforderungen du hast. Hast du so was Ähnliches schon in anderen Situationen erlebt, in denen es nicht um Englisch ging? Wie hast du da reagiert? Der Klassiker wäre: Dir fällt ein Wort nicht ein. Okay, das passiert dir im Deutschen sicherlich auch. Was machst du dann? Kannst du die Strategie auch auf dein Englisch anwenden?

Irgendwann sind wir alle aus der Puste. Verständnis für dich selbst und andere

Am Anfang habe ich mich bei jedem Lauf bescheuert gefühlt. Ich habe immer noch Tage, an denen ich hinter kleinen alten Damen mit Rollator hertrotte und sie nicht überhole.

Ich habe aber auch gemerkt, dass andere Läufer auch schwitzen und kämpfen und gar nicht immer so schnell laufen, wie ich immer dachte. Sie nicken mir im Vorbeilaufen zu mit diesem Blick, der sagt: "Well done for trying." Gut, dass du draußen bist und dein Bestes gibst.

Das lehrt ein bisschen Demut und Verständnis. Es tut gut, sich ab und zu in so eine verletzliche Situation zu bringen. Das ist eine gute Erinnerung daran, anderen Menschen mehr Achtung und Verständnis entgegenzubringen, wenn sie sich was trauen und dabei Fehler machen oder sich durchkämpfen müssen.

Erkenne deine eigenen Leistungen an, aber auch die von anderen. Es ist leicht, Menschen für ihre Fehler zu kritisieren und sie danach zu beurteilen, wo sie gerade stehen - wir wissen aber nicht, an welchem Punkt sie vor drei Tagen oder fünf Jahren waren.

Sei dir selbst und anderen ein gutes Publikum.

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