Toxic preconditions: Vergiftest du dein Englisch?

aktualisiert am 1. November 2025

Veröffentlicht am 1. November 2025

Vergiftest du dein Englisch?

Das geht leichter als du denkst – und zwar mit “toxic preconditions”, also Bedingungen oder Voraussetzungen, die deiner Englisch-Beziehung schaden.

Was sind “toxic preconditions”?

"Toxic preconditions” sind Annahmen über die Voraussetzungen dafür, dass irgendetwas geschehen oder getan werden kann. Diese Voraussetzungen sind nicht echt, sondern gedacht. Und sie sind schädlich.

Ich bin über den Begriff in Oliver Burkemans Newsletter gestolpert. Er ist wiederum auf James Hortons Substack darauf gestoßen. Und eigentlich geht es um ein Prinzip, oder ein Phänomen, das dir vielleicht auch schon in Form von Heuristiken, Vorannahmen oder Glaubenssätzen begegnet ist.

James Horton beschreibt, wie sich solche “toxic preconditions” im Schreibprozess zeigen.

  • Der erste Entwurf muss gut sein.
  • Schreiben ist nur wertvoll, wenn es auch gehaltvoll ist.
  • Oder: Schreiben sollte Spaß machen.

Und wenn man nicht sicher sein kann, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, schreibt man am Ende – gar nichts.

Auch wenn du nicht schreibst, kennst du sicher solche Bedingungen, die du mit dir herumträgst. Du entlarvst “toxic preconditions” ganz gut, indem du darauf achtest, wann du in “nur wenn dann”-Formeln denkst.

  • Nur wenn ich eine gute Morgenroutine entwickle, kann ich produktiv sein.
  • Nur wenn ich morgens erstmal eine unangenehme Aufgabe erledige, bin ich diszipliniert.
  • Nur wenn ich drei Kilometer jogge, zählt es.
  • Ein Weihnachtsessen gilt nur als Weihnachtsessen, wenn es mindestens drei Gänge hat.

In gewisser Weise sind “toxic preconditions” eine Form von Aberglaube. Wenn ich alles richtig mache, dann wird alles gut. Wenn ich alle Bedingungen erfülle, wird alles gut. Wenn ich nur mit dem richtigen Licht, dem richtigen Getränk, der richtigen Sportart und dem richtigen Müsli in den Tag starte, dann wird der Tag gut. Und wenn ich an Weihnachten das korrekte Festessen koche, dann wird es auch festlich.

Und wie jede Form von Aberglaube sollen diese “toxic preconditions” vor allem eins tun: Uns vor Unsicherheit schützen. Oliver Burkeman beschreibt “toxic preconditions” als den Versuch, irgendeine Form von Garantie dafür zu bekommen, dass alles gut wird. Dass wir sicher sind. Dass dieses neue Vorhaben klappen wird.

Aber natürlich klappt das nicht. Denn das einzige, was diese Bedingungen erreichen ist, dass wir uns selbst misstrauisch und kritisch beobachten. Du hast schlecht geschlafen? Dann hast du irgendeine Bedingung nicht erfüllt. Dir macht Schreiben keinen Spaß? Dann fang lieber gar nicht erst an, denn wenn es dir nicht leicht fällt, gilt es eh nicht.

Das klingt grausam, aber es ist paradoxerweise immer noch einfacher als die Alternative: Die wäre nämlich, zu akzeptieren, dass wir sehr oft eben wenig Kontrolle über die Ergebnisse unserer Handlungen haben. Und dass eigentlich immer irgendwo irgendwas schief geht. “Toxic preconditions” bauen wir deshalb auch eher auf, wenn wir etwas machen, das schwierig oder komplex ist, oder etwas, bei dem das Ergebnis nicht gut vorhersehbar ist.

Wie beim Schreiben.

Und beim Englischlernen.

  • Nur wenn es mir leicht fällt, bin ich erfolgreich.
  • Ich kann erst Englisch, wenn mir nie wieder ein Wort fehlt.
  • Ich muss jedes Wort sofort parat haben, denn sobald ich was nachschauen muss, gilt das nicht mehr.
  • Und mit Akzent sprechen auch nicht.
  • Und wenn ich nicht spontan auf unvorbereitete Situationen reagieren kann, gilt es auch nicht.

In meiner Arbeit höre ich jede Menge solcher Gründe, aus denen Menschen auf gar keinen Fall glücklich mit ihrem Englisch sein dürfen.

Einige dieser Aussagen klingen vielleicht ganz vernünftig oder sogar völlig logisch für dich. Klar kann ich kein Englisch, wenn mir immer wieder Wörter fehlen. Klar sollte ich die Grammatik kennen, wenn ich Englisch sprechen kann. Klar ist es wichtig, dass ich korrektes Englisch spreche.

Hm. Vielleicht ist das aber gar nicht so klar?

Ich denke, dass hinter solchen Aussagen der Versuch steht, die eigenen Erfahrungen mit Englisch zu deuten, zu verstehen und auch irgendwie zu bewältigen.

Das zeigt sich dann auch, wenn wir etwas tiefer in diese Annahmen einsteigen. Meistens geht es darum, sich selbst zu erklären, warum das bisher nicht geklappt hat mit Englisch. Oder warum man sich einfach nicht sicher fühlt in dieser Sprache. Oder warum man immer wieder aufgibt. Oder warum Menschen manchmal seltsam zu reagieren scheinen, wenn man Englisch mit ihnen spricht.

Dann ist es unheimlich attraktiv zu sagen: Klar, das Ganze funktioniert ja auch nur wenn alle Wörter da sind. Die Grammatik perfekt ist. Jeder Dialekt verstanden wird.

Diese “toxic preconditions” sind auch eine Form von Aberglaube – ja, wenn ich mal alle Wörter weiß, dann reagieren Menschen um mich herum nie wieder unerwartet. Dann fühle ich mich nie wieder unsicher in dieser Sprache.

Aber das ist ja genau der Knackpunkt.

Die Unsicherheit kann man ja nicht ausschalten.

  • Englisch ist nun mal komplex.
  • Probleme tauchen immer mal auf.
  • Es manchmal mehr als eine richtige Lösung.
  • Menschen sind komplex und verstehen uns einfach manchmal falsch.

Aber das anzuerkennen und auszuhalten, wenn du die Sprache lernst, ist viel schlimmer als zu sagen: Wenn ich es nicht perfekt kann, muss ich gar nicht erst anfangen.

Und das Resultat ist:

Prokrastination.

Oder sogar: Aufgeben.

Das Gemeine ist dabei außerdem, dass “toxic preconditions” manchmal aussehen wie Ziele (Grammatik verstehen) oder auch wie Lösungen (Grammatik verstehen um sicher zu sprechen) – aber du merkst dass es reine Giftmischungen sind, weil sie dich nicht vorwärts bringen, sondern hemmen.

Also brauchst du ein Gegengift.

Mittel gegen “toxic preconditions”

Entlarven

Wie so oft ist dein bestes Gegengift, überhaupt zu erkennen, was gerade passiert.

“Toxic preconditions” wären ja nicht so gefährlich, wenn sie nicht so gut getarnt wären.

Schneewittchen wird nicht vergiftet, weil ihr eine verdächtig aussehende Person ein Fläschchen mit giftgrünem Inhalt reicht und dabei fies kichert.

Schneewittchen isst einen vergifteten Apfel, der nicht nur nahrhaft zu sein scheint, sondern auch noch besonders hübsch und rot und saftig ist.

Und so ist das mit den “toxic preconditions” zu deinem Englisch auch.

Die sind vermutlich auch erstmal attraktiv. Wer will denn keinen Spaß haben? Und wer will lieber mit Fehlern sprechen als ohne? Du hast hohe Maßstäbe und findest es deshalb sinnvoll, neue Wörter zu lernen und Routinen zu etablieren und sehr genau im Umgang mit der Sprache zu sein.

Das klingt alles ganz vernünftig und hilfreich.

Aber es klappt nicht und du fühlst dich schlecht und dein Englisch wird immer grüner und fahler im Gesicht.

Also.

Wenn du dich immer wieder bei solchen “nur wenn dies dann das”-Aussagen ertappst (“nur wenn ich jeden Tag Englisch mache, zählt es”, “nur wenn ich mich selbstbewusst fühle, bin ich mit meinem Englisch erfolgreich”) – und du dich als Folge davon ablenkst oder immer wieder aufgibst: dann solltest du schauen, ob dieser Apfel vielleicht verdächtig rot ist.

Entlarven ist immer gut.

Dann kannst du Strategien finden, mit denen dir solche Annahmen nicht mehr so viel anhaben können.

Dabei geht es geht nicht darum, das Ganze auszumerzen. Klar kannst du erforschen, warum diese oder jene “toxic precondition” sich in deine Englisch-Beziehung geschlichen hat. Das mache ich in meinen Coachings ja auch.

Aber selbst dann geht es nicht darum, so eine kleine giftige Pflanze zu entdecken und dann für immer auszurupfen. Die ist nunmal in deinem Garten und erfüllt da vielleicht sogar einen Sinn. Aber du brauchst ein Gegenmittel, damit sie dir nicht so schadet.

Konfrontation und Widerstand

Eine Möglichkeit, deine “toxic preconditions” zu schwächen ist aktiver Widerstand.

“Ach echt? Du sagst mir, dass mein englischer Text nur gilt, wenn ich korrekt schreibe? Na dann schau mal zu, wie ich hier einen total vermurksten Text hinhaue. Ich schaue keine einzige Regel nach und kein einziges Wort. Und morgen mache ich genau das gleiche. Egal, wie sehr du dich aufregst, du toxisches kleines Säftchen.”

Wenn dir der groß angelegte Widerstand nicht liegt, kannst du auch Mini-Rebellionen anstiften.

Toxic precondition: “Du bist nur erfolgreich mit deinem Englisch, wenn es dir leicht fällt.”

“Ach ja? Dann mache ich jetzt eine Sache, dir mir schwer fällt. Ich nehme mich eine Minute lang beim Sprechen auf. Ich finde endlich selbst heraus, ob B/british groß oder klein geschrieben wird. Ich lerne endlich, wann man since und for nutzt.

Ja, das mache ich gerade zum zehnten Mal. Ist mir aber egal. Denn genau das macht mich erfolgreich!”

Deine “toxic preconditions” kannst du nicht immer so schnell ändern. Aber wenn sie dich zum Aufgeben bringen wollen, kannst du ihnen Widerstand leisten und so den Schaden minimieren, den sie deinem Englisch antun.

Entwaffnen

Natürlich kannst du das auch mit der Strategie verbinden, deine Herausforderung gedanklich auf die Schippe zu nehmen.

“Ach echt? Mein Akzent gefällt dir nicht, du kleine Giftspritze? Dann hör mich mal mein Lieblingslied singen und reg dich halt auf, du Rumpelstilzchen.”

Wenn deine “toxic precondition” dann wie ein kleiner Wutkobold neben dir steht und sich aufplustert, wirkt sie vermutlich gar nicht mehr so bedrohlich. Der kleine Wicht kann dir und deinem Englisch nicht mehr so viel anhaben, denn du hast ihn entlarvt.

Kompromisse aushandeln

Vielleicht bist du aber auch bereit, mit deinen “toxic preconditions” zu verhandeln. Dann ist das Vorgehen super, das Anne-Laure LeCunff in ihrem Buch “Tiny Experiments” beschreibt: Du vereinbarst mit dir selbst, etwas Neues auszuprobieren – aber nicht für immer, sondern nur für eine Weile. Und dann schaust du, was passiert.

Wenn du zum Beispiel weißt, dass du dein Englisch-Glück davon abhängig machst, nie wieder nach Worten zu suchen, kannst du einen Vertrag mit dir abschließen: “Okay, ich lerne bewusst keine neuen Wörter, spreche aber trotzdem jeden Tag 5 Minuten lang Englisch und nehme mich dabei auf.”

Oder: “Ich lese ein Buch und ignoriere alle Wörter, die ich nicht kenne. Ich lese zwei Absätze und rate, um was es geht.”

Hinter diesem Experiment-Charakter steht eine Ja-Und-Haltung.

Ja. Ich glaube das.

Und ich probiere mal aus, was passiert, wenn ich mir selbst erlaube, das nicht mehr zu glauben oder zumindest nicht mehr danach zu handeln.

Diese Haltung ist für dich vielleicht besonders attraktiv, wenn du den Eindruck hast, dass deine “toxic preconditions” dir an sich gar nichts Übles wollen.

Dein Bloß-Keine-Fehler machen Gift will eigentlich nur, dass du Regeln wirklich verstehst.

Dein bloß-nicht-stocken-Schadstoff zeigt, dass du dich für eine schöne Sprachmelodie interessierst.

Und dein ich-darf-auf-keinen-Fall-unhöflich wirken Bremsblock macht dich aufmerksam für kulturelle Unterschiede.

Damit kannst du arbeiten. Ja, Warnung verstanden. Und jetzt findest du einen Weg, das Problem zu umschiffen anstatt dich ausbremsen zu lassen.

Echte Lösung oder gleiches Gift?

Dabei solltest du allerdings darauf achten, dass deine Strategien dir auch wirklich dabei helfen, das Problem zu umschiffen. Das ist auch dann besonders wichtig, wenn du dir Verbündete mit ins Boot geholt hast.

Natürlich ist es prima, wenn du Menschen hast, die dir dabei helfen, “toxic preconditions” zu entlarven und Gegenmittel zu finden.

Achte dabei allerdings darauf, dass du und deine Verbündeten den “toxic preconditions” nicht auf den Leim geht.

Wenn du dein Englisch beispielsweise mit der Aussage vergiftest, dass ihr nur dann erfolgreich seid, wenn ihr ohne Akzent sprecht – dann ist es nicht hilfreich, wenn Menschen dir einen Kurs zur Akzentreduzierung empfehlen.

Denn: Das ist das gleiche Gift.

Ein echtes Gegenmittel lässt die “toxic precondition” unangetastet, nimmt ihr aber ihre Macht.

Was wäre denn möglich, wenn dich dein Akzent einfach nicht mehr so wahnsinnig interessiert?

Wovon lenken dich die Sorgen um deinen Akzent ab?

Was kannst du mit deinem Englisch erreichen, wenn du dich von dieser “toxic precondition” nicht aufhalten lässt?

Was, wenn du sie “reden lässt”, aber du fokussierst dich auf andere Sachen?

Aufmerksamkeit entziehen

Du siehst, hier biete ich dir noch eine andere Strategie an: Ignorieren. So gut wie möglich.

Auch das ist ein Klassiker im Märchen. Die Hauptfigur wandert durch ein Moor, in dem sie von Stimmen und Erscheinungen gelockt wird. Die muss sie so gut wie möglich ignorieren. Dann kommt sie ans Ziel.

Schummeln

Letztendlich geht es immer ein bisschen darum, deine “toxic preconditions” auszutricksen. Was kannst du tun, um diesen Voraussetzungen etwas entgegenzusetzen?

Tipps dafür gibt es auch in meinem Beitrag zum Thema “Schummeln”. Auch da geht es darum, was alles möglich wird, wenn man sich von so absoluten Voraussetzungen nicht mehr aufhalten lässt.

Zum Mitnehmen

  • Wenn du weißt, wie sich “toxic preconditions” in deiner Englisch-Beziehung zeigen, kannst du sie mit der Zeit immer besser entlarven.
  • Das hilft dir wiederum dabei, unterschiedliche Strategien auszuprobieren, mit denen du diesen Annahmen begegnen kannst.
  • Diese Strategien reichen von aktiver Rebellion über Verhandlungen hin zum Aufmerksamkeitsentzug.

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