Spontan Sprechen ist ein Mythos – Profis bereiten sich vor

aktualisiert am 27. Mai 2025

Veröffentlicht am 27. Mai 2025

Die beste Vorbereitung für spontanes Englisch ist ... Vorbereitung

Du sitzt nervös auf dem Sofa. Morgen kommt der Kollege aus Oxford zu Besuch, abends wollt ihr gemeinsam mit der Forschungsgruppe essen gehen.

  • Hoffentlich sitze ich nicht neben ihm.
  • Was, wenn er mich etwas Unerwartetes fragt?
  • Was, wenn er mich etwas Unerwartetes fragt?
  • Was denken dann die anderen am Tisch?
  • Vielleicht sage ich lieber gleich ab?

Was würde dein Englisch in so einer Situation zu dir sagen?

"Hey, lass uns drüber nachdenken. Denn die beste Vorbereitung für spontanes Sprechen ist: Vorbereitung!"

Das klingt erstmal widersprüchlich, ist es aber nicht. Denn echte Profis wissen: Auch spontane Situationen können vorbereitet werden.

Dieser Blogpost ist eine gekürzte Fassung der Podcast-Folge: "How I met my English - der Englisch-Beziehungs-Podcast: Folge 18 - Spontan Sprechen ist ein Mythos - Profis bereiten sich vor".

Du möchtest lieber gleich reinhören? Dann klick hier (auf den Text klicken).

Was ist eigentlich eine "spontane Situation"?

Menschen kommen häufig mit dem Ziel zu mir: "Ich will spontan Englisch sprechen."

Was sie dabei oft nicht mitdenken: Die allerwenigsten Situationen sind wirklich komplett spontan im Sinne von "unvorbereitet".

Wirklich unvorbereitet bist du eigentlich nur, wenn eine Situation dich völlig überrumpelt. Zum Beispiel, wenn bei einem Meeting plötzlich der Moderator ausfällt und du einspringen sollst.

Oder wenn auf einer Geburtstagsparty spontan alle etwas Nettes über das Geburtstagskind sagen sollen. Sag doch mal was Nettes, spontan. Und dann bitte auch nichts Plattes, sondern was Originelles, ganz wertschätzend. Und möglichst noch ein bisschen witzig.

Solche Situationen machen alle Menschen nervös – völlig unabhängig davon, in welcher Sprache sie gerade unterwegs sind. Wenn du dabei eine Fremdsprache sprichst, verstärkt das eigentlich nur noch eine Herausforderung, die ohnehin schon anstrengend wäre.

Aber die meisten Situationen, die wir als "spontan" bezeichnen, sind es gar nicht wirklich.

Spontan heißt nicht: unvorbereitet

Wenn du jeden Freitag mit Kollegen Tee trinkst und sie dich jedes Mal fragen, was du am Wochenende vorhast – ist das dann noch spontan? Nein. Das ist eine Situation, auf die du dich gut vorbereiten kannst.

Wenn du auf eine Konferenz gehst und am Eingang Bekannte triffst – ist es dann wirklich überraschend, dass sie dich fragen, wie du angereist bist, in welchem Hotel du übernachtest, oder ob du einen Vortrag hältst? Eher nicht.

Es gibt bestimmte Situationen und Themen, die einfach immer wieder vorkommen. Und darauf kannst du dich vorbereiten.

Was echte Profis machen

Ich habe letztens eine Folge von "Think Fast, Talk Smart" gehört – das ist ein Podcast, in dem Matt Abrahams von der Standford Business School über strategische Kommunikation spricht. Also: Das ist kein Podcast für Menschen, die Englisch lernen, sondern ein Podcast für Menschen, die besser strategisch kommunizieren wollen. Und natürlich gibt es da viele Überlappungen mit dem, was du dir vielleicht auch konkret - oder noch ein bisschen bewusster - für deine Kommunikation auf Englisch aneignen möchtest. Große Hör-Empfehlung, wenn dich das Englisch nicht abschreckt.

Und Matt Abrahams spricht mit Menschen darüber, wie sie "in-the-moment communication" hinbekommen. Denn, ich wiederhole das hier: Es geht gar nicht so darum, spontan zu sprechen. Sondern "live", konkret in einem Moment, der geplant und vorbereitet war - und in dem man trotzdem gut spontan handeln können muss.

Und weißt du, was alle Profis im Interview mit Matt Abrahams empfohlen haben?

Genau. Vorbereitung.

Da habe ich mich natürlich gefreut, schließlich ist das immer die allererste Frage, die ich Menschen stelle, wenn wir über "spontanes Englisch" sprechen: Was kannst du tun, um dich auf die Situation vorzubereiten? Was weißt du schon darüber?

Schön, wenn das auch ein FBI-Negotiator, eine Sportmoderatorin, ein NFL-Schiedsrichter, ein UN-Simultanübersetzer, ein Game-Show-Host und eine Auktionatorin von Sotheby's sagen - also Menschen, die beruflich den ganzen Tag in anspruchsvollen Situationen mehr oder weniger spontan sprechen müssen.

Alle sagen: "Preparation is key."

Vorbereitung ist kein Zeichen von Schwäche

Für Menschen, die Fremdsprachen lernen, ist das eine wichtige Einsicht: Vorbereitung ist nichts "für Anfänger" oder "unsichere Menschen" oder "Menschen, die halt die Sprache nicht gut können".

Vorbereitung ist etwas für Profis. Denn Profis wissen, dass effektive Kommunikation kein Zufall ist. Oder ein Talent.

Ich würde sogar so weit gehen, dass du einen kleinen Vorteil hast, wenn du in einer Fremdsprache unterwegs bist:

Du bist gedanklich schon darauf vorbereitet, dass dir im Gespräch etwas Unvorhergesehenes unterkommt.

Das bedeutet:

Du bist nicht so überrascht, wenn etwas Neues aufkommt. Du bist mental darauf eingestellt, dass nicht alles perfekt läuft. Das macht dich weniger anfällig für Überraschungen als Menschen, die sich sehr sicher fühlen und dann von unerwarteten Wendungen aus dem Konzept gebracht werden.

Du hörst genau zu, weil du noch nicht davon ausgehst, dass du "eh schon weißt" was andere sagen.

Du nimmst dir im Zweifelsfall mehr Zeit, zu überlegen, was du eigentlich in einer Situation erreichen willst, wie du auf die Menschen zugehen möchtest - und wie die Namen der anderen Menschen ausgesprochen werden.

Wie bereitest du dich auf Englisch-Situationen vor?

Ich schicke das mal gleich vorweg: Vorbereitung muss nicht aufwendig sein. Wie man so schön sagt: "A little goes a long way."

Inhaltliche Vorbereitung

Überlege dir: Wer ist anwesend? Welche Themen könnten aufkommen? Was erwartet mein Gegenüber von mir?

Wenn dein Kollege aus Oxford zu Besuch kommt, kannst du dir schon mal anschauen, woran er gerade forscht. Vielleicht bist du auch neugierig, wie es ihm in Deutschland gefällt. Ob er zum ersten Mal hier ist. Oder du hast sowieso Themen, über die ihr normalerweise sprecht - dann erinnere dich nochmal bewusst daran.

Sprachliche Vorbereitung

Inhaltliche und sprachliche Vorbereitung hängen natürlich eng miteinander zusammen. Ach, wenn ihr über das Wochenende sprecht - was könnte da vorkommen? Stimmt, du gehst auf den Flohmarkt, wie heißt das nochmal auf Englisch? Hm, woran forscht der Besuch aus Oxford genau? Ach stimmt, die Methodologie war doch ganz spannend, aber du hattest da eine Frage, Moment, wie könntest du die stellen? Vielleicht überfliegst du nochmal kurz das Paper, das er dazu geschrieben hat.

Das Ziel ist nicht, dich bis ins Kleinste auf alle möglichen Themen vorzubereiten.

Du willst dich einfach schon ein bisschen aufwärmen und dein Gehirn auf die Sprache einstimmen, die in diesem Kontext vorkommt.

Warum solltest du das tun?

Im Interview bei "Think Fast, Talk Smart" beschreibt ein UN-Simultanübersetzer sehr gut, warum er sich auf typische Phrasen oder Abkürzungen vorbereitet, die in einem bestimmten Kontext vorkommen könnten.

Auch hier gilt: Er macht das nicht, um sich im Voraus möglichst viel Wissen in den Kopf zu pressen. Er weiß einfach: Wenn ich hier schon ein paar Begriffe kenne, rufe ich die schneller ab und habe dann Arbeitsspeicher übrig, wenn knifflige Herausforderungen kommen.

Aktives Zuhören als Vorbereitung

Vorbereitung muss nicht bedeuten, dass du dich an den Schreibtisch setzt und dir Listen schreibst. Vorbereitung kann auch bedeuten, dass du aktiv zuhörst. Wie begrüßen sich Menschen normalerweise in deinem Büro? Was fragen sie einander am Kaffeeautomaten?

Wer Fremdsprachen lernt, ist sowieso immer eine Elster: Wir schnappen immer Phrasen, Gewohnheiten, Begriffe auf, wenn wir unterwegs sind. Und dann probieren wir sie im Gespräch aus.

Ohren aufwärmen

Wusstest du, dass man sich an Stimmen gewöhnen muss, bevor man Informationen optimal aufnimmt? Ich habe das vor einiger Zeit in einem Interview mit der Linguistin Jane Setter gehört. Das dauert selbst in der eigenen Sprache ein paar Sekunden.

Seitdem empfehle ich Lernenden, zu entscheiden: Wie wichtig ist diese Interaktion, auf die ich mich gerade vorbereite? Und: Kann ich mir die Stimme der anderen Person schon irgendwo im Vorhinein anhören? Das klassische Beispiel: Du gehst auf eine Konferenz und weißt schon, wer wichtige Vorträge hält. Mit diesen Personen möchtest du dich eventuell auch noch später informeller unterhalten.

Dann schau nach, ob es auf Youtube schon ein Video von dieser Person gibt. Hör dich ein paar Minuten lang in ihre Stimme ein.

Du kannst dir vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe, als auch der UN-Simultanübersetzer im "Think Fast, Talk Smart"-Podcast diesen Tipp geteilt hat. Hör dich ein, dann ist dir die Stimme oder der Akzent der anderen Person nicht mehr so fremd.

Körperliche Vorbereitung

Wenn du deine Ohren sowieso schon aufwärmst, nimm gleich noch den ganzen Körper mit.

Bist du verspannt? Strecken und Gähnen kann dann sehr gut tun und dir dabei helfen, im Gespräch wieder präsenter zu sein.

Bist du ein bisschen fahrig und zittrig? Meine Lieblingsübung dazu: Einmal durchschütteln wie ein kleiner Hund.

Flattern deine Nerven? Füße auf den Boden, Schultern rollen, Hand auf die Brust, Augen zu. Bleib gedanklich ein paar Atemzüge lang bei deinem Atem und erinnere dich daran: Ich bin hier. Das kann dir dabei helfen, auch gedanklich wieder in der Gegenwart anzukommen, anstatt in Sorgenschleifen schon durch die Zukunft zu schlittern.

Wenn du schon dabei bist, nimm dir ruhig auch noch einen Moment, um deine Stimme aufzuwärmen. Summen, Zungenbrecher aufsagen, singen - such dir was aus.

Und: Erinnere dich daran, was eigentlich dein Hauptziel in dieser Situation ist.

Denn das ist niemals, "perfekt spontan Englisch sprechen". Du hast immer einen realen Grund, mit der anderen Person zu sprechen.

Was Vorbereitung nicht ist: Auswendig lernen

Das Ziel von Vorbereitung ist niemals, jede Unsicherheit auszuschalten. Das Ziel ist, sich auf das vorzubereiten, was einschätzbar und beeinflussbar ist, damit du mit den wirklich unvorhersehbaren Elementen besser umgehen kannst.

Vorbereitung bedeutet nie, dass du jetzt "auch noch" vorher ein Portfolio zu jeder Interaktion erstellen sollst oder Fragen und Antworten auswendig lernen müsstest. Du bereitest dich einfach nur schon gedanklich ein bisschen auf die Situation vor: Wie intensiv du das tust, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Wie vorhersehbar ist die Situation?

Wie wichtig ist sie?

Wie viel Zeit hast du?

Es kann wirklich schon ausreichen, kurz gedanklich zu fragen: Warum bin ich hier? Wie wird der Name der anderen Person ausgesprochen (oder wie frage ich sie danach)? Und wie stelle ich mich gleich vor?

Übung macht den Meister

Die meisten Situationen, die uns im Alltag begegnen, funktionieren wie ein Puzzle. Je öfter du ähnliche Situationen erlebst, desto mehr Puzzleteile erkennst du wieder. Das hast du in deiner eigenen Sprache irgendwann so gemacht - und auf Englisch machst du das nicht wirklich anders.

Nach und nach wird die Zahl der wirklich unvorhersehbaren Elemente kleiner, weil du ein Repertoire and Phrasen, Themen und Strategien entwickelst, die du immer wieder anwendest. Begrüßen, auf Fragen antworten, über den Urlaub sprechen, das letzte Paper zusammenfassen, erklären, auf welche Fördergelder du dich gerade bewirbst, Begriffe definieren, Essen bestellen, die Toilette suchen, eine Grafik erklären, über das Essen sprechen, eine Anekdote von der letzten Konferenz erzählen, sich nach einem beeindruckenden Vortrag mit der Speakerin vernetzen.

Du weißt: Sowas war auch auf Deutsch beim ersten Mal aufregend und neu. Aber genau deshalb fängst du ja mit der Vorbereitung nie von Null an. Du baust auf dem auf, was du schon kennst.

Simple, but not easy

Wie so oft gilt: Die Strategie klingt einfach ("ja klar, bereite dich halt vor"), ist aber nicht leicht.

Du brauchst ein bisschen Zeit.

Du musst dich daran erinnern, dir diese Zeit zu nehmen.

Du brauchst ein bisschen Routine darin, zu erkennen, wie du dich vorbereiten kannst - ohne dir dafür einen Tag frei nehmen zu müssen.

Du brauchst das Vertrauen, dass Vorbereitung dich und dein Englisch ein Stücken näher an "wir bekommen das schon hin" bringt.

Du bist dir nicht sicher, wie du dich zeitsparend und sinnvoll auf Englisch-Situationen vorbereitest? Sprich mit mir. Vereinbare hier ein unverbindliches Kennenlerngespräch

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